Dieselskandal: BGH kippt VW-Haftungsvergleiche mit Winterkorn und Stadler (II ZR 154/23)

– neue Maßstäbe für Vorstandshaftung und Aufsichtsrat

Dieselskandal: BGH kippt VW Haftungsvergleiche
Lesezeit ca. 2 Min. Dr. Jan-Eike Andresen

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die VW-Haftungsvergleiche im Dieselskandal mit den Ex-Vorständen Winterkorn und Stadler aufgehoben. Welche Folgen ergeben sich für Aufsichtsräte, Vorstände und Haftungsvergleiche nach § 93 AktG? Eine Analyse von Rechtsanwalt Dr. Jan-Eike Andresen.

Am 30. September 2025 hat der Bundesgerichtshof (BGH) im Verfahren II ZR 154/23 entschieden, dass die Haftungsvergleiche von Volkswagen mit den ehemaligen Vorständen Martin Winterkorn (VW) und Rupert Stadler (Audi) neu zu verhandeln sind.

Der BGH beanstandete, dass der Aufsichtsrat bei Abschluss der Vergleiche nicht hinreichend geprüft habe, ob die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der beiden Vorstände höher sei, als von VW angenommen. Damit stellt der BGH klar: Ein Aufsichtsrat darf bei Vergleichen in der Vorstandshaftung nicht vorschnell auf Ersatzansprüche verzichten.

Hintergrund: VW-Haftungsvergleiche und BGH-Entscheidung

Die Vergleiche stützten sich allein auf die früheren Vorstandsgehälter. Eine umfassende Vermögensprüfung – etwa zu Kapitalanlagen, Immobilien oder Erbschaften – erfolgte nicht.

Der BGH kritisierte diese Vorgehensweise deutlich: Ein zu niedriger Vergleichsbetrag könne einen unzulässigen Verzicht auf werthaltige Ansprüche der Gesellschaft darstellen.

Fortführung der „ARAG/Garmenbeck“-Grundsätze

Die Entscheidung knüpft an die bekannten ARAG/Garmenbeck-Grundsätze (BGHZ 135, 244 = BGH, Urt. v. 21.04.1997 – II ZR 175/95) an. Danach ist die Verfolgung von Ersatzansprüchen gegen Vorstandsmitglieder nach § 116 i.V.m. § 93 AktG der Regelfall.

Ein Absehen hiervon ist nur zulässig, wenn überwiegende Gesellschaftsinteressen dagegen sprechen – etwa bei gesicherter D&O-Deckung oder erheblichen Prozessrisiken. Solche Abwägungen müssen dokumentiert und gerichtlich überprüfbar sein.

Zulässigkeit von Vergleichen bei Vorstandshaftung

Der BGH betonte erneut, dass Vergleiche im Interesse der Gesellschaft sinnvoll sein können – z. B. zur Sicherung von D&O-Versicherungsleistungen oder zur Vermeidung langwieriger Prozesse.

Allerdings gilt:

  • § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG erlaubt einen Verzicht auf Ersatzansprüche nur in engen Grenzen.
  • Vergleiche müssen auf einer belastbaren Abwägung beruhen.
  • Pauschale Opportunitätserwägungen („Prozesse dauern lange“) reichen nicht aus.

Konsequenzen für Aufsichtsräte

Für Aufsichtsräte bedeutet die Entscheidung:

  • Sie sind verpflichtet, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Vorständen konkret zu prüfen.
  • Vergleichsentscheidungen müssen sorgfältig dokumentiert werden.
  • Ein unzureichend begründeter Vergleich kann selbst Haftungsrisiken für den Aufsichtsrat begründen.

Unsere Beratung im Aktienrecht

Wir begleiten Aufsichtsräte und Gesellschaften bei der rechtssicheren Gestaltung von Haftungsentscheidungen:

  • Analyse möglicher Pflichtverletzungen nach §§ 93, 116 AktG,
  • Bewertung der D&O-Deckung,
  • Prüfung der Vermögenssituation von Vorständen,
  • Entwicklung von Vergleichsstrategien, die einer gerichtlichen Überprüfung standhalten.

So stellen wir sicher, dass Ihre Entscheidungen im Einklang mit den Maßstäben des BGH stehen und persönliche Haftungsrisiken für Aufsichtsräte minimiert werden.

Fazit

Die BGH-Entscheidung II ZR 154/23 verdeutlicht: Aufsichtsräte müssen bei der Anspruchsverfolgung gegen Vorstände höchste Sorgfalt walten lassen. Vergleiche sind zulässig – aber nur auf einer fundierten Grundlage.

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